Einwohnerstand, Gemeindegebietsreform

Rund 80 Jahre nach der schrecklichen Pestilenz um 1570, die nur acht Einwohner am Leben ließ (siehe Abschnitt „Die Pest“), und sieben Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, sind erste Vergleichszahlen über den Stand der Bevölkerung in Straßkirchen faßbar.

Für alle zur Pfarrei gehörigen Orte liegen aus jener Zeit die Seelenzahlen vor, für die Gemeinde erst ab 1813. Setzt man Seelenzahlen und Einwohnerzahlen in Relation zueinander, so ergibt sich für die Gemeinde etwa folgender Einwohnerstand:

JahrgangEinwohner der GemeindeSeelenzahl der Pfarrei
1655180340
1726365689
1740341649
1744255476
1746330621
1771334646
1806328627
1813383
1830484
1875697
1900960
1925999
19391074
19501885
19751980


Eine Ausnahme in der sich ziemlich gleichbleibenden Bevölkerungsentwicklung macht das Jahr 1744. Dies dürfte auf die Flucht der männlichen Einwohner vor Rekrutierungen im Österreichischen Erbfolgekrieg zurückzuführen sein. Das Nachlassen der Bevölkerungszahlen um die Jahrhundertwende 1800 resultiert aus der Teilnahme einer Anzahl von Männern an den napoleonischen Kriegen, für die Bayern als Verbündeter Frankreichs Soldaten zu stellen hatte. Aus dem Bevölkerungsstand der letzten hundert Jahre sind zwei Epochen herauszulesen, die als Ursache für den rapiden Anstieg zu nennen sind. Zunächst haben die Eröffnung einer Post- und Eisenbahnstation um die Mitte des 19. Jahrhunderts vielen Menschen Arbeit und Existenz geboten und damit eine Seßhaftmachung bewirkt. Als weitere Ursache hat der Zweite Weltkrieg zwar 111 Tote und Vermißte gefordert, andererseits aber brachte die Vertreibung von deutschen Menschen aus ihrer angestammten Heimat einen Zugang von rd. 900 Personen.
Die Einwohnerstatistik zeigt deutlich, wie sich die Verhältnisse der drei Orte lrlbach, Schambach und Straßkirchen zueinander geändert haben. So hatte lrlbach im Jahre 1872 650 Einwohner gegenüber 1235 im Jahre 1950, Schambach 424 gegenüber 663, und Straßkirchen 575 gegenüber 1885. Das bedeutet einen Bevölkerungszuwachs in den letzten hundert Jahren von 90% in lrlbach, 55% in Schambach und 305% in Straßkirchen.

Verglichen mit den Nachbarorten war Straßkirchen schon immer die größere Siedlung, was auch sehr deutlich aus den Einnahmen der Pfarreien vom Jahre 1286 hervorgeht. Diese sind für Straßkirchen mit 8 marc, für Schambach mit 4 marc und für lrlbach mit 2 marc beziffert.
Die viel umstrittene große Gemeindegebietsreform trat am 1. Mai 1978 in Kraft. Sie kostete den Gemeinden lrlbach, Schambach, Paitzkofen, Grafling und Amselfing ihre mit großer Leidenschaftlichkeit verteidigte Eigenständigkeit. Der aus sechs Gemeinden gebildeten neuen Einheitsgemeinde Straßkirchen gehörten zunächst an :
Die ehemalige Gemeinde Straßkirchen mit den Orten Straßkirchen, Haidhof, Haberkofen, Oedhof und Niederast,
die ehemalige Gemeinde lrlbach, umfassend den Ort lrlbach, die ehemalige Gemeinde Schambach mit dem Ort Schambach und der Einöde Ackerhof, die ehemalige Gemeinde Paitzkofen mit den Orten Paitzkofen, Stetten, Putzenhofen und Makofen.


Von der ehemaligen Gemeinde Grafling wurden die Orte Gänsdorf, Seehof und ThaI, von der ehemaligen Gemeinde Amselfing die Orte Entau und Sophienhof einverleibt.
Die Gemeindegebietsreform brachte der Einheitsgemeinde Straßkirchen, die vordem 1960 Einwohner zählte, einen Zuwachs von Irlbach mit 1041, Schambach mit 483, Paitzkofen mit 282, Gänsdorf, Seehof, ThaI mit 79 und Entau, Sophienhof mit 87 Einwohnern. Das ergibt eine Gesamteinwohnerzahl von 3932 Personen. Die Gemeinde Paitzkofen trat bereits zwei Jahre früher, am 1. Januar 1976, der Einheitsgemeinde Straßkirchen freiwillig bei, während die übrigen Gemeinden und Orte sich dem Gesetzeszwang beugten und am 1. Mai 1978 folgten. Die Gemeinde lrlbach wehrte sich am verbissensten gegen die Einverleibung. Der Anschluß wurde jedoch termingerecht vollzogen. Zwar wäre der Beitritt zu einer Verwaltungsgemeinschaft Straßkirchen von Irlbach akzeptiert worden, nicht aber die Auflösung der Gemeinde. Straßkirchen jedoch forderte die Einheitsgemeinde. Ihrer Ansicht nach sei die Verflechtung beider Gemeinden mit Schulverband. Abwassersystem, Bauhof usw. so weit fortgeschritten, daß nur eine Einheitsgemeinde einen reibungslosen Geschäftsablauf gewährleisten könne.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. April 1978 gab dem Begehren von Straßkirchen recht. Irlbach aber fand sich mit seiner Auflösung nicht ab und reichte beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München Popularklage ein. Das am 3. November 1983 ergangene Urteil stellte die Verfassungswidrigkeit der Eingemeindung nach Straßkirchen fest und gab Irlbach seine Gemeindehoheit wieder. Die Orte Entau und Sophienhof schieden ebenfalls von Straßkirchen und gehören vorstehendem Urteil gemäß in Zukunft zur Gemeinde Irlbach. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof unter Vorsitz von Präsident Hans Domke folgte in seiner Urteilsbegründung im wesentlichen dem Klagevorbringen Irlbachs. Der Normgeber, also das Bayerische Staatsministerium des Innem, vertreten durch die Regierung von Niederbayern, „habe die Verpflichtung verletzt, den Kernbereich der Selbstverwaltung zu wahren. Es lasse sich nicht feststellen, daß die zweifellos auch für eine Eingemeindung sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls stärker wiegen, als die Gründe, die für die Erhaltung der selbständigen Gemeinde Irlbach sprechen“. Dieses Urteil löste in Straßkirchen Verwunderung und Überraschung aus. Die Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen 1978 waren längst vorüber. Mehr als fünf Jahre lang hatten die neu gewählten Gemeindevertreter aus allen eingemeindeten Orten ihres Amtes gewaltet, und ein allmähliches gedeihliches Zusammenleben praktiziert. Niemand rechnete mehr mit einer Wende. Die Stimmung in der Bevölkerung hatte sich beruhigt und mit dem Gebilde der „Einheitsgemeinde Straßkirchen“ abgefunden.

Während man in lrlbach in Jubel ausbrach und die Glocken der Freiheit läutete, berieten die Straßkirchener die Einleitung weiterer Maßnahmen. Ein in Fachkreisen renommierter Rechtsanwalt wurde mit diesem Fall beauftragt und Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes beim höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, eingelegt. Mit Urteil vom 15. Januar 1985 verwarfen die Richter in Karlsruhe jedoch das Begehren von Straßkirchen mit der Begründung, daß hier nicht das Bundesverfassungsgericht zuständig sei, sondern der Verfassungsgerichtshof in München, weil alle Maßnahmen der Gebietsreform auf Landes- und nicht auf Bundesgesetz beruhen. Dieses aber habe sein Urteil bereits gefällt und damit seien alle Rechtsmittel ausgeschöpft.


Im Februar 1985 ging beiden Gemeinden ein Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums des lnnern zur Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft zu. lm Anhörungsverfahren sprachen sich sowohl Straßkirchen, als auch Irlbach gegen diesen Entwurf aus, was aber kein Gehör fand. Seit 1. Januar 1986 besteht nun die Verwaltungsgemeinschaft für Straßkirchen und Irlbach mit dem Sitz im Rathaus Straßkirchen. Die damit erforderlich werdende Trennung der beiden Gemeindekassen und die in mehr als fünf Jahren aufgelaufene Aufrechnung aus Kanalbau mit Pumpstation und Kläranlage, Sportstätten- und Straßenbau, eine millionenschwere unbewältigte Vergangenheit der beiden Gemeinden, wird noch für eine jahrelange Erhitzung der Gemüter sorgen.
Die Geschichte lehrt, daß jeder Veränderung im Bestand einer Gemeinde von heftigen Geburtswehen begleitet ist. Die Zeit aber hilft Wunden heilen. Es gilt, das wertvolle geschichtliche Erbe zu bewahren und zu erhalten. Das kann unabhängig von der politischen Zugehörigkeit geschehen.
Die Einheitsgemeinde Straßkirchen weist nach der Ausgemeindung von Irlbach und den beiden Orten Entau und Sophienhof nunmehr eine Gesamtfläche von 3837,39 ha (38,37 qkm) aus.

Davon sind:

Landwirtschaftliche Fläche:3389,23 ha
Waldfläche  127,98 ha
Wasserfläche    69,26 ha
Verkehrsfläche   106,86ha
Erholungsfläche     12,63ha
Gebäude-,Hof- und Gartenfläche   125,11ha
Betriebsfläche       2,56ha
Flächen anderer Nutzung:       3,76ha

Angesichts des leidenschaftlichen Wirbels um die große Gemeindegebietsreform vom Jahre 1978 wird fast vergessen, daß Straßkirchen in der neueren Zeit eine weitere Gebietsreform hinter sich gebracht hat. Auf Ersuchen des Landratsamtes Straubing verfügte die amerikanische Militärregierung mit Wirkung vom 1. Januar 1946 die Eingemeindung von Haberkofen, Oedhof und Niederast aus der Gemeinde Niederharthausen in die Gemeinde Straßkirchen. Dagegen aber protestierte die nun in ihrer Existenz gefährdete Gemeinde Niederharthausen, und nach einigen Monaten wurde die Rückgemeindung nach Niederharthausen verfügt. Die Ortssprecher von Haberkofen, Oedhof und Niederast wandten sich daraufhin mit Eingaben und Beschwerden an das Bayerische Staatsministerium des Innern und legten Pläne vor, in denen die schlechte Verbindung und das geographische Mißverhältnis zur Gemeinde Niederharthausen klar herausgestellt waren. Auf Weisung des Innenministers erließ sodann die Regierung von Niederbayern-Oberpfalz in Regensburg am 9. Februar 1949 eine Entschließung, gemäß welcher „einem dringenden Bedürfnis folgend, die Orte Haberkofen, Oedhof und Niederast ab 1. April 1949 endgültig in die politische Gemeinde Straßkirchen einverleibt werden “ .Der Bevölkerungszuwachs dieser Eingemeindung betrug 184 Personen, pendelte aber bis zum
Jahre 1960 bei 98 alteingesessenen Einwohnern ein. Die in der Kriegs- und Vertreibungszeit in diese Orte zugewanderten Personen zogen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz nach und nach alle wieder weg.

Quellen:
Reinhard Kaiser, Geschäfsstellenleiter, Straßkirchen, Hans Lenz, Verwaltungsangestellter, Straßkirchen, Gemeindearchiv Straßkirchen.